Interessant ist dieses Zitat von *Francois Truffaut, einem französischen Regisseur. Es zeigt, dass diese Kunst eben nicht nur in der Musik vorkommen kann, sondern in vielen anderen künstlerischen Bereichen. Aber unterschätzen wir nicht die Kunst eines Automechanikers, der provisorisch eine Befestigung für eine durchgerostete Abgashalterung improvisiert. Oder eine Köchin, die zu spät bemerkt, dass sie zu wenig Teigblätter für eine Lasagne hat und diese durch Farfalle ersetzt...improvisiert. Für viele haftet dem Begriff Improvisation etwas unfertiges, dilettantisches und auf einem nicht sonderlich hoch stehendem Niveu an.
Es gibt eine Menge an Publikationen zu diesem Thema und es ist nicht mein Anliegen, explizit auf einzelne einzugehen. Ich möchte nur meine eigenen Gedanken dazu teilen, da die 'Kunst der Improvisation' in meiner künstlerischen, aber auch für meine pädagogische Arbeit einen hohen Stellenwert besitzt.
Denn Improvisation kann eine wertvolle Fähigkeit sein, die Kreativität und soziale Fähigkeiten fördert und gleichzeitig Spaß macht. Aber auch Kommunikationsfähigkeit, die sich wiederum positiv auf die Teamarbeit auswirken kann, und die Möglichkeit der Stressbewältigung seien hier genannt.
Historisch gesehen spielte die Improvisation in der europäischen Musik vor ca. 200 Jahren eine wichtigere Rolle als in zeitgenössischen Aufführungen. Bis ca. Mitte 1800 war Improvisation eine gängige Praxis und Komponisten erwarteten oft sogar von den Interpreten, dass sie ihre geschriebene Musik verschönern oder verzieren. Bemerkenswerte Beispiele sind die Verwendung improvisierter Kadenzen in Konzerten oder die Ausschmückung einer Melodie in Arien.
Im Jahr 1938 erschienen Buch "Die Improvisation in der Musik" von Ernest T. Ferand kann der geneigte Leser dies nachlesen. Es ist ein maßgebendes Buch zur Improvisation, indem die Geschichte der Improvisation historisch aufgerollt und systematisch analysiert wird. Ausserdem wurde 1956 von Ferand das Buch "Die Improvisation - In Beispielen aus neun Jahrhunderten abendländischer Musik" veröffentlicht, dort findet man ausnotierte Interpretationen von der Gregorianik bis hin zur Klassik.
Im Laufe der Zeit verzichteten die Komponisten darauf, den Solisten diesen Freiraum zu gestatten. Stattdessen beganne sie, auch die Kadenzen auszunotieren. Damit geriet diese Kunst in Vergessenheit.
Und das führte nun dazu, daß dies auch für den pädagogischen Bereich keine Rolle mehr spielt. Wenn man bedenkt, daß es mittlerweile Coachings im Bereich des Mangements und anderen nichtmusikalischen Zusammenhängen gibt, kann doch zurecht die Frage gestellt werden: Wieso wird diese Kunst im Musikunterricht vernachlässigt? Wieso eröffnen wir den SuS nicht das voraussetzungslose Erforschen des Instrumentes, der facettenreichen Klänge eines Instrumentes? Lassen die SuS ihre eigenen Etüden erfinden, ihre eigen Lieder komponieren? Bei einem Wechsel der Unterrichtsmethoden und der darauf folgenden Reflexion des Improvisierten, können neue , kreative Prozesse in Gang gesetzt werden.
Daß dies nie oder äußerst selten in der Unterrichtspraxis vorkommt, ist sicherlich dem Umstand geschuldet, daß Improvisation in erster Linie den entsprechenden Studiengängen vorbehalten ist: dem Jazz.
Allerdings gibt es mittlerweile auch an den 'klassischen' Hochschulen Entwicklungen, die die Improvisation in die Lehre aufnehmen.
Für viele aussereuropäische Musikformen ist die Improvisation essentieller Bestandteil des Improvisieren, bei dem die Zuhörer sogar erwarten, eigenständige und spontan enstehende Variationen vom Ausführenden zu hören.
In indischer, arabischer, arabischer und andere Musik ist diese Kunst allgegenwärtig und gehört zwingend zum künstlerischen Ausdruck.
Soundpainting (Z.Bsp. mit dem 'LARGE ENSEMBLE' und Ernst Reijsegger als Gastmusiker, Bild s.o.)
* Francois Truffaut
Hier sind einige Aspekte der Improvisation in der klassischen Musik:
Barocke Verzierungen: Im Barock wurde von Musikern erwartet, dass sie ihren Auftritten Verzierungen hinzufügen. Dazu können Triller, Mordents, Wendungen und andere Verzierungen gehören. Die Musiker waren oft erfahrene Improvisatoren, die diese Verzierungen spontan während einer Aufführung hinzufügen konnten.
Kadenzen: In der klassischen Ära, insbesondere bei Konzerten, hatte die Interpreten sogar die Freiheit, dass sie Kadenzen improvisieren. Diese wurde dann eine virtuose Solopassage, meist gegen Ende eines Satzes, in der der Interpret sein technisches Können und seine Kreativität unter Beweis stellen kann. Später wurden diese ebenfalls vom Komponisten ausnotiert, da diese oft nicht einverstanden mit der Interpretation waren...
Orgelimprovisation: Hier wurde die Tradition des Improvisierens erhalten. Bei der Orgelimprovisation geht es oft darum, Variationen einer Kirchenliedmelodie zu erstellen, ein Thema zu entwickeln oder spontan ein Stück während eines Gottesdienstes zu komponieren. Es gibt Wettbewerbe, bei denen diese Fähigkeit gezeigt werden können.